Der Stieglitz und die Energiewende
Der
Stieglitz ist zum „Vogel des Jahres 2016“ gekürt worden; und wie bei so vielen
„Tieren des Jahres“ haben seine Bestände dramatisch abgenommen (von 1990 bis
2013 um 48%).
Er
heißt auch Distelfink, weil er gern aus reifen Fruchtständen der Disteln (und
auch anderer Wildstauden) die Samenkörner herauspickt. Aber diese
Nahrungsquelle wird ihm in immer größerem Ausmaß genommen. Auf
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/vogel-des-jahres/stieglitz/19521.html
steht:
„Es wird eng für unseren Jahresvogel. Denn immer weniger Landstriche in
Deutschland bleiben unberührt: Brachflächen fallen der Agrarpolitik zum Opfer
oder werden in Städten zubetoniert. Das raubt dem Stieglitz den Lebensraum und
lässt die Nahrungsquellen versiegen."
Naturbelassene
Blumenwiesen fallen zunehmend der Bebauung und der Agrarindustrie zum Opfer. In
den Siedlungen wird der Boden knapper und knapper; die Grundstücke werden auf
den letzten gerade noch erlaubten Quadratmeter zugebaut. Denn die Zahl der
Einwohner vermehrt sich rasant, aber der Boden ist nicht vermehrbar. Für
richtige Blumenwiesen ist da kein Platz mehr. Das Restgrün wird
„pflegeleicht" gehalten, allenfalls gibt es noch niedrige ohne
nennenswerten Aufwand zu versorgende Rabatten – aber keinesfalls Disteln oder andere Wildstauden,
deren Samenwurf die Monotonie der Rabatten und des Teppichrasens stören könnte.
Um dem Freizeitdruck der vielen Menschen gerecht zu werden, sind wilde
Blumenwiesen auch nicht brauchbar. Flächen, die nicht der Agrar-Industrie
dienen, müssen zu Golfplätzen gemacht werden, so will es die
Massen-Spaßgesellschaft.
Und
die Agrarindustrie selber ist für die Zunahme der Schäden an Natur und
Landschaft entscheidend verantwortlich. In einem Thesenpapier des Fachverbands Biogas e.V. heißt es zwar
„In Deutschland besteht darüber Konsens, dass der
Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln Vorrang vor der stofflichen oder
energetischen Nutzung zukommt", aber in diesem Zusammenhang muss erwähnt
werden, dass riesige Futtermittelmengen für die weit überhöhte Viehzucht in
Deutschland importiert werden und von Monokulturen stammen, für die
hauptsächlich in Südamerika wertvollste frühere Regenwaldgebiete missbraucht werden.
Dass dann Deutschland noch dazu riesige Fleischmengen exportiert (3,7 Millionen
Tonnen im Jahr 2010, Tendenz steigend), wirkt sich insgesamt ökologisch extrem
schädlich aus. https://www.shz.de/deutschland-welt/wirtschaft/rekord-deutschland-produziert-so-viel-fleisch-wie-nie-id12657201.html Auf https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/natur/flora/wiesenblumen/ lesen wir: „Der Löwenzahn ist allen anderen
Wiesenblumen überlegen – im Hinblick auf die Gülle, die zunehmend auf die
Wiesen ausgebracht wird. Das monoton-schöne ‚Gelb’ im Frühjahr ist ein
erschreckendes Zeichen für Wiesen, deren Blumenvielfalt durch Gülle vernichtet
wurde." Allein dies schädigt die lebendige Vielfalt schon erheblich. Nun
gibt es ja in der Agrarindustrie nicht mehr die kleinteiligen Felder mit
vielfältig abwechselndem Bewuchs wie in der früheren bäuerlichen
Landwirtschaft, bei der auch. Wildtiere ihr Auskommen hatten. Viele Landwirte
sind jetzt „Energiewirte" und bauen Mais an, weil Mais eine so beliebte
und lukrative „Energiepflanze" ist: https://www.fr.de/wirtschaft/mais-mais-noch-mais-11639522.html Stephan Börnecke schreibt
dort: „Der Anbau von Mais und Raps in Deutschland nimmt bedrohliche Züge an.
Dünger und Pestizide belasten zunehmend Böden. Das Bundesamt für Naturschutz
warnt nun vor ungezügeltem Hunger nach Energiepflanzen. ... In der Konkurrenz
zwischen dem Anbau von Pflanzen für die Nahrung und für die Energienutzung hat
die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Beate Jessel, vor einer
ungehemmten Ausweitung von Maismonokulturen gewarnt. Jessel sagte zur
Frankfurter Rundschau, der Biomasse-Anbau habe inzwischen eine Rekorddimension
erreicht, die zu einer fortschreitenden Intensivierung der Landwirtschaft
führe. Dies habe deutliche negative Folgen für den Naturhaushalt." Die
riesigen Mais-Monokulturen lassen die Landschaft veröden und rauben vielen Wildtieren
den Lebensraum. Wiesenbrüter und Vögel, die auf die kleinen Samenkörner von
Wildstauden als Nahrung angewiesen sind, haben dort keine Chance mehr und
werden zunehmend in die Ausrottung gedrückt. Nur reichen leider die Bodenflächen hierzu nicht aus: Zwar ist
Energiesparen, so gut es nur möglich ist, Gebot der Stunde. Aber die Besiedlungsdichte
Deutschlands übersteigt die Grenzen der ökologischen Dauertragfähigkeit bei weitem; Details sind hier dargelegt
(erweiterte Fassung eines Beitrags in GAIA 4/99): Der Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdichte und
gefährdeten Säugetierarten weist eine signifikant hohe Korrelation auf: https://www.senotto.de/Internet/SaeugetierKorrel06.pdf https://www.umwelt-watchblog.de/biogas-hat-mit-bio-nichts-zu-tun-ein-beitrag-von-dr-friedrich-buer/ „ ‚Der Mais hat in den vergangenen Jahren alles kaputt
gemacht’, sagt Jean-Paul Burget von der Naturschutzorganisation ‚Sauvegarde
Faune Sauvage’ (SFS). Immer mehr Bauern pflanzen die gelben Kolben auf ihren
Feldern an, im Elsass sind 80 Prozent aller Ackerflächen voll damit. Mais
bringt nämlich mehr Geld als etwa Weizen oder Hafer. Nur: Für Hamster sind
Maisfelder ein Graus. Wenn die Tiere nach dem Winterschlaf aus ihrem Bau
krabbeln, ist der Boden noch ratzekahl. Gesät wird frühestens im April. ‚Ohne
Deckung werden die Hamster innerhalb von Minuten gefressen’, sagt Burget.
Raubvögel erbeuten sie, noch bevor die Nager im Frühling Nachwuchs bekommen. So
kann der Bestand einer ganzen Region in wenigen Jahren verschwinden.“ https://www.geo.de/GEOlino/natur/tiere/heimatlos-feldhamster-suchen-heimat-78448.html. Viele Tiere gehören zu den
Opfern dieser lebensverachtenden Art von Agrar-Industrie und Energiewirtschaft,
die unseren Wiesenvögeln und so vielen anderen biologischen Arten den
Lebensraum raubt und auf die die Menschen verfallen sind, weil sie ihre
Ansprüche und ihre Zahl nicht den ökologischen Rahmenbedingungen angepasst
haben. Der geniale Herbert Gruhl, der seiner Zeit weit, weit
voraus war, sagt so treffsicher: „Der begrenzte
Zeithorizont der Wirtschaft ist identisch mit ihrer Gewissenlosigkeit“
Die Schäden für den Boden und fürs Grundwasser
sind bekannt, Gülle und Antibiotika-Einträge werden zu einem immer größeren
Problem für Mensch und Tier.Gegenüber anderen Ackerpflanzen ist der Mais
hauptsächlich deswegen im Vorteil, dass sein Anbau aus Steuergeldern nach dem
EEG stark gefördert wird. Das ist ein Teil der sog. „Energiewende", mit
der die Regierung beabsichtigt, die Nutzung der Atomenergie durch eine
angeblich „nachhaltige Energieversorgung" zu ersetzen. Dass Atomenergienutzung
allein schon wegen der nicht geklärten Entsorgung des Atommülls nicht
nachhaltig ist, ist seit langem bekannt; dies wurde aber von Politik und
Wirtschaft permanent ignoriert. Und nun soll sie mit einer Mixtur aus Solar-
und Windenergie, Wasserkraft und Energie aus nachwachsenden Rohstoffen, den
„Energiepflanzen" ersetzt werden. Nachhaltige Energieversorgung darf keine
irreparablen Schäden verursachen, muss daher auch CO2-neutral sein,
Das ist bei den ersten drei Arten der Energienutzung bis auf die Errichtung,
Ver- und Entsorgung der Anlagen der Fall. Und Pflanzen nehmen während ihres
Wachstums ebensoviel CO2 auf, wie sie danach bei der Verbrennung
(entweder direkt oder nach Vergärung) wieder abgeben.
https://www.senotto.de/Internet/ZieglerEuropa.pdf.
Säugetierarten wurden deshalb erfasst, weil für sie eine gesicherte Datenlage
vorhanden war. Wanderungsbewegungen sind bei ihnen naturgemäß viel weniger
ausgeprägt als bei Vogelarten. Seit der Erhebung dieser Daten (2005) haben sich
durch den großflächigen Maisanbau die
Lebensbedingungen besonders für viele Wiesenbewohner noch einmal erheblich
verschlechtert. Selbst
bei minimalen Ansprüchen ist daher eine wirklich nachhaltige Energieversorgung
für die im Verhältnis zur Boden-fläche viel zu große Zahl der
Energieverbraucher nicht möglich. Die krampfhaften Anstrengungen dazu bremsen am
Prellbock und zeitigen unermessliche Schäden. So böten Maisfelder zwar Nahrung für einige Tiere, falls sie nicht mit Bioziden behandelt
wären. Zumeist werden sie aber intensiv verspritzt, damit der Mais kräftig
gedeiht. Wird er dann geerntet, entstehen riesige Kahlflächen, die Hase und
Fasan jeglicher Deckung, die sie vorher im Feld schon bisweilen hatten,
plötzlich berauben. Die Anforderungen an einen Lebensraum erfüllt ein Maisfeld keinesfalls. „"Wo
Mais und andere Energiepflanzen angebaut werden, können Wildpflanzen und
Wildtiere nicht überleben. ... Deshalb sind solche Ackerflächen aus
ökologischer Sicht schädlich und wertlos", steht klar und in aller
Deutlichkeit auf
(Ein Planet wird geplündert, 1975).